Die vorletzte Runde hat begonnen!

Willkommen zurück im Großen Saal des Wittelsbacher Schlosses zu Friedberg! Vor rund 25 Minuten wurde die Vorschlussrunde unseres diesjährigen Freundschachts-Opens freigegeben; wir sind gerade dabei, die erste Runde für Euch zu drehen.

Am Spitzenbrett treffen an diesem Nachmittag jene beiden Spieler aufeinander, die in der Vormittagsrunde jeweils einen Großmeister bezwingen konnten: GM Li Min Peng wird von Lokalmatador Quang Bach Duong herausgefordert. Mit etwas Verzögerung – die Bretter 1 und 2 wurden rund 25 Minuten später freigegeben, weil die beiden Wolfhagener Spieler während der Mittagspause bei einem Polizeieinsatz als Zeugen einvernommen wurden und daher unverschuldet nicht pünktlich erscheinen konnten – steht die klassische Variante der französischen Verteidigung auf der Tagesordnung. In dieser Variante konnte GM Peng am Vormittag als Nachziehender GM Poetsch besiegen; Quang machte am Vormittag ebenfalls bereits Bekanntschaft mit einem Franzosen, allerdings mit der Winawer-Variante. Wer diese Partie für sich entscheidet, erreicht eine sehr gute Ausgangsposition für den letzten Akt morgen im Ringen um den Platz an der Sonne, verbunden mit 1.200 Euro Preisgeld.

Die Partie zwischen FM Nicholas Paltrinieri und IM Vadym Petrovskiy an Tisch 2 möchte der Nachziehende von Beginn an asymmetrisch anlegen und greift erneut zur sizilianischen Verteidigung. Weiß leitet mit 3.c3 in die solide Alapin-Variante über, die Schwarz mit dem sofortigen Zentrumsvorstoß 3…d5 kontert.

Auch GM Hagen Poetsch greift gegen Cornelius Mühlich zum Sizilianer. Am 3. Brett wird die klassische Variante diskutiert; ungewohnt mutet der weiße Doppelbauer auf e3 und e4 an, der infolge eines frühen Abtauschs auf e3 entstanden ist, mit dem sich Schwarz das Läuferpaar gesichert hat. Andererseits kann Weiß auf seinen Entwicklungsvorsprung und die halboffene f-Linie gegen den noch unrochierten Monarchen des Nachziehenden verweisen. Ob das wohl einen genügenden Gegenwert darstellt?

An Tisch 4 hat Christian Gunchev mit Sebastian Reimann vom SK 1908 Göggingen, seines Zeichens Bayerischer Einzelmeister 2023, den nächsten richtig dicken Brocken vor der Brust. Christian eröffnet mit 1.c4 und findet sich in einem farbvertauschten Alapin-Sizilianer wieder, in welchem er den Damentausch auf d1 zulässt. Leichte Anklänge an eine Variante der Philidor-Verteidigung, natürlich wiederum farbvertauscht, sind erkennbar, wobei zusätzlich zum verlorenen Rochaderecht hier das Feld d4 im weißen Lager schwach ist. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die bisherige Turnierüberraschung in dieser Position zurechtfinden wird.

An Brett 18 musste Lokalmatador Dominic Brugger in einer Pirc-Verteidigung angesichts der auf h6 postierten Dame seines Kontrahenten Martin Schönwetter von der SG Augsburg seinen König auf e7 parken. Wegen der geschlossenen Natur der Position ist dies einstweilen nicht weiter tragisch, doch könnte der schwarze Monarch eine ernste Hypothek darstellen, sollte die Stellung geöffnet werden. Eine weitere Aufgabe für den Nachziehenden besteht darin, seinem von den eigenen Bauern verstellten Läufer auf b7 einen Ausguck zu verschaffen. Der Plan von Weiß liegt auf der Hand: Linien öffnen, bei Bedarf auch unter Bauernopfer.

Ob Schwarz das wohl so geplant hatte in Schönwetter – D. Brugger?

Ein nominell ungleiches Duell bietet sich den Zuschauern an Tisch 35: Das Dachauer Urgestein Michael Iberl nimmt es hier mit Ricardo Ueberschär aus Kissing auf. Auf dem Papier trennen die beiden gut 750 DWZ-Punkte, auf dem Brett derzeit nur etwas weißer Raumvorteil am Damenflügel, verbunden mit dem Potential, in ferner Zukunft auf der a-Linie einen Freibauern zu etablieren, sowie die etwas größere Figurenaktivität auf Seiten des Anziehenden. Ein mit vielerlei Wassern gewaschener Haudegen wie Michael Iberl kennt jedoch Mittel und Wege, solch kleine Ansatzpunkte zu etwas Zählbarem zu verdichten. Schauen wir also, wie es weitergehen wird.

In einem Duell „Erfahrung versus Jugend“ stürmt an Tisch 53 Jürgen Förster mit jugendlichem Elan auf die Königsstellung von Felix Leichtle los. Die geschlossene Natur der Position, ähnlich einem holländischen „Stonewall“ mit vertauschten Farben, gibt ihm die Handhabe zu solch einem Vorgehen bei eigenem König in der Mitte. Wie wird der junge Felix Leichtle auf die heranrollende weiße Bauernwalze reagieren?

Einer von nicht so wenigen Teilnehmern ohne DWZ sitzt in dieser Runde am 63. Brett. Daniel Markovic bekommt es hier im Duell zweier Nachwuchsspieler mit Lokalmatador Junchi Li zu tun. Für seinen Minusbauern kann er auf ein beträchtliches Zeitplus von 45 Minuten verweisen. Seine Angriffsbemühungen am Königsflügel vermochten Junchi indes noch nicht zu beeindrucken.

In der Spitzenbegegnung hat GM Li Min Peng einen Springer für drei Bauern gegeben. Beide Könige haben nicht rochiert: Die schwarze Dame verhindert auf der Diagonalen a6-f1 die kurze Rochade; Quangs König wurde von einem weißen Ross auf g7 nach d8 gezwungen. Die Situation wirkt brenzlig für Schwarz, doch hat Quang nicht zuletzt heute Vormittag unter Beweis gestellt, dass er auch in unübersichtlichen Positionen den Durchblick bewahrt. Wir bleiben dran.

GM Peng – Duong: Eine scharfe Stellung voller Ungleichgewichte.

IM Petrovskiy hat sich gegen FM Paltrinieri das Läuferpaar gesichert. Sein Mehrbauer steht bereits auf c3, doch sollte es dem Weißen gelingen, den Bauern erfolgreich zu umkreisen, könnte sich bemerkbar machen, dass der schwarze Turm auf g8 einstweilen außer Spiel ist, da der König des Nachziehenden auf e8 steckengeblieben ist. Beste Voraussetzungen also für eine entschiedene Partie; überhaupt werden dem Publikum hier viele ausgekämpfte Spiele präsentiert.

GM Poetsch hat ein Zeitpolster von 15 Minuten auf seinen Kontrahenten erwirtschaftet. Bemerkenswert der doppelte Doppelbauer in der e-Linie; dass die schwarze Königin auf c3 im Moment kein Feld zur Verfügung hat, fällt nicht besonders ins Gewicht, da kein Weg zu sehen ist, sie anzugreifen. Cornelius Mühlich vom SK Kelheim denkt angestrengt über sein weiteres Vorgehen nach.

Bereits beendet ist die Begegnung an Tisch 4: Christian Gunchev griff gegen Sebastian Reimann ausgangs der Eröffnung fehl und war mit einer Qualität weniger fortan chancenlos. Sebastian steht damit bei 5/6 und kann morgen in den Kampf um die vorderen Platzierungen eingreifen; Christian steht trotz der Niederlage mit 4/6 weiterhin sehr gut da und will in der Schlussrunde gewiss noch einmal zeigen, was er draufhat.

Gunchev – Reimann: Weiß wählte hier 12.a3, doch nach dem Tausch auf c3 stellte 13…Sc5 unangenehme Fragen, da b3 und e4 hängen.

Dominic Brugger musste mit seinem König mittlerweile nach g6 ausweichen. Der weiße Felderkomplex am Königsflügel ist schwach und generell wirken die Figuren des Nachziehenden wenig koordiniert. Das dürfte ein hartes Stück Arbeit werden, wenn Schwarz hier nicht mit wehenden Fahnen untergehen will. Martin Schönwetter hält eindeutig die Zügel in der Hand.

Am 35. Brett ist Michael Iberl über die von ihm beherrschte c-Linie inzwischen mit seinem Turm auf die 7. Reihe eingedrungen. Der schwarze Bauer auf b7 wackelt bedenklich, und sollte er fallen, hielte Weiß in Gestalt eines a-Freibauern einen hohen Trumpf in der Hand. Der Anziehende kommt bei der Vorteilsverdichtung voran.

An Tisch 53 haben Michael Förster und Felix Leichtle Frieden geschlossen. Felix entschärfte den forschen Bauernsturm seines erfahrenen Gegenübers mit genauen Zügen und erreichte selbst etwas Vorteil, bevor in der verschachtelten Schlussstellung ein gerechtes Remis unterzeichnet wurde. Damit hat Felix die DWZ-Erwartung Lügen gestraft und steht nun ebenso wie Jürgen Förster bei 2½/6.

Die Endstellung bei Förster – Leichtle: Kein Fortkommen ersichtlich.

Ebenfalls beendet ist die Begegnung an Brett 63. Daniel Markovic erspielte sich gegen Lokalmatador Junchi Li ernstzunehmende Angriffschancen am Damenflügel, doch just in dem Moment, als er hätte zuschlagen können, unterlief ihm ein Überseher und er büßte seinen Springer auf h5 ersatzlos ein. Junchi spielte seinen Vorteil danach routiniert nach Hause und besserte sein Punktekonto auf 50 Prozent auf.

Mit 29.Df2? machte Weiß seinem Gegner hier ein Geschenk in Gestalt des Springers auf h5. Junchi ließ sich nicht zweimal bitten und gewann in der Folge auch die Partie. 29.Dxh6! hätte für Schwarz dagegen böse enden können.

GM Li Min Peng bleibt beim 3. Freundschachts-Open weiter das Maß aller Dinge. Aus der oben abgebildeten Stellung heraus fand er sich besser zurecht und rückte nach ein paar Ungenauigkeiten Quangs dem schwarzen Monarchen zu Leibe. Im 32. Zug schließlich fiel der Vorhang für den Augsburger Lokalmatador. Der Setzlistenerste steht damit bei 6/6 und hat bereits eine Hand an der Siegestrophäe. Ob ihm morgen wohl doch noch jemand ein Bein stellen kann?

Eine sehr scharfe Stellung bekommen die Zuschauer derzeit bei FM Paltrinieri – IM Petrovskiy geboten. Weiß hat dort aktuell zehn Minuten Zeitvorteil und zudem eine Qualität für einen Bauern mehr. Allerdings steht sein König etwas luftig und gerade hängt beim Anziehenden sowohl eine Qualität, wie auch ein Matt in zwei Zügen droht. Der schwarze Monarch kommt auf e7 einstweilen vergleichsweise gut zurecht. Die Zeitnotphase ist angebrochen; Zuschauen lohnt sich hier!

Die Hütte brennt bei FM Paltrinieri – IM Petrovskiy.

Ein Zeitnotduell liefern sich auch Cornelius Mühlich und Hagen Poetsch an Tisch 3. Schwarz verfügt über einen – allerdings verdoppelten – Mehrbauern und die größere Figurenaktivität. Dennoch könnte dem Großmeister hier noch ein Stück Arbeit bevorstehen.

Beiderseitige Zeitnot auch bei Schönwetter – D. Brugger am 19. Brett. Die weißen Figuren sind ins schwarze Lager eingedrungen, doch der Nachziehende stemmt sich eisern gegen die Niederlage. Noch hält er seinen Laden zusammen, aber wie lange mag das gutgehen?

Ricardo Ueberschär musste gegen Michael Iberl einen Bauern verloren geben. Überdies schneidet der weiße Turm den schwarzen König auf der achten Reihe ab. Die Zeitkontrolle ist geschafft, doch dürfte der Nachziehende an seiner Verteidigungsaufgabe wenig Freude finden. Die Messe könnte hier bald gelesen sein.

Das macht keinen Spaß für Schwarz in Iberl – Ueberschär.

Und da kommt Michael Iberl am Turnierleitungstisch vorbei und gibt die Partieformulare ab. In einer strategisch überzeugend geführten Partie bezwingt er Ricardo Ueberschär und stellt sein Punktekonto auf 3½/6.

Auch Martin Schönwetter meldet Vollzug: Dominic Bruggers Position war dem weißen Dauerdruck letztlich nicht mehr gewachsen. Martin steht damit nun bei 4/6.

Die erste Zeitnotphase ist überstanden und eine Handvoll Partien laufen noch, darunter diejenigen an den Tischen 2 und 3.

IM Petrovskiy hat für seinen Turm mittlerweile ganze vier Bauern und einen Läufer eingeheimst. FM Paltrinieris König steht vollkommen ohne Bauernschutz auf g3 und kann von den schwarzen Figuren aufs Korn genommen werden. Ein Lichtblick für den Anziehenden ist sein aktives Turmpaar auf c6 und c7 im Verbund mit dem Springer auf d4. Dennoch dürfte es hier nur eine Frage der Zeit sein, bis Schwarz zum entscheidenden Schlag ausholen kann.

GM Poetsch hat am 3. Brett ein Turmendspiel mit einem Mehr-Freibauern auf der e-Linie erreicht. Alle seine Figuren stehen aktiver als ihre weißen Gegenstücke. Das sieht sehr gut aus für den Nachziehenden.

Alle Turmendspiele sind remis?! – Dieses hier aus der Begegnung Mühlich – GM Poetsch zählt eher nicht dazu.

Cornelius Mühlich musste einen zweiten Bauern abtreten, konnte dafür aber eine Art Philidor-Position erreichen. Der zusätzliche schwarze Bauer ändert die Stellungseinschätzung allerdings entscheidend und so dauert es nur noch wenige Züge, bevor der Kelheimer die weiße Flagge hissen und seinem großmeisterlichen Gegenüber zum Sieg gratulieren muss. Hagen Poetsch steht nunmehr bei 5/6.

Und auch an Tisch 2 werden die Hände geschüttelt: IM Vadym Petrovskiy besiegt FM Nicholas Paltrinieri in 43 Zügen und nimmt mit 5½/6 jetzt den ungeteilten zweiten Platz ein. Morgen wird es unausweichlich zum Duell mit seinem Trainer und Vereinskollegen GM Li Min Peng kommen.

Zwei Begegnungen laufen noch: Brett 15, Arthur Sitnik – Kurt Kaufmann und Brett 25, Peter Langer – Jens Wietschorke.

In diesem Moment reicht Peter Langer die Hand zur Aufgabe: Zwei Minusbauern im Leichtfigurenendspiel waren am Ende zu viel.

Und auch bei Arthur Sitnik und Kurt Kaufmann ist das Spiel zu Ende. Der Nachziehende führte sein Turmendspiel mit Mehrbauer gegen den jungen Kelheimer zum Sieg. Damit ist die vorletzte Runde geschafft.

Wir arbeiten an der Auslosung für die finale 7. Runde, die morgen um 9 Uhr beginnt. Bis dahin bedanken wir uns fürs Mitlesen und beenden das Liveblog für heute.


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