Auch heute Vormittag war Kevin Beesk unterwegs, um Partien zu erkunden, und hatte dabei augenscheinlich Freude, so wie ihr offenbar auch. Hier folgen seine Beobachtungen.
Beobachtungen zur 4. Runde
In der heutigen Vormittagsrunde erspähte der Berichterstatter gar manches Tier beziehungsweise Fabelwesen auf den Brettern.
Brett 18 sieht einen scharfen Drachen, in dem Weiß früh am Königsflügel opfert, um zum gegnerischen Monarchen durchzubrechen. Wird Asim Muharemagic den Drachen erlegen können wie einst St. Georg?
Auch Thomas Reich eröffnet seine Partie gegen die Augsburger Nachwuchshoffnung Quang Bach Duong mit einem Drachen, allerdings in beschleunigter Form. Bald folgt ein zweites schwarzes Fianchetto, womit man sich in Gefilde des sogenannten »Doppelloch-Igels« begibt. Dieser zweite Fianchetto-Läufer tauscht sich jedoch rasch gegen einen lästigen weißen Zentralspringer ab.
In einem der zahlreichen Duelle »Jugend gegen Erfahrung« prescht der junge Aadith Ranganathan an Brett 31 früh forsch mit dem h-Bauern nach vorne – GM Simon Williams hätte sicher seine Freude an dieser Herangehensweise. Alexander Tsiapouris nimmt es gelassen und pocht auf seinen erklecklichen Raumvorteil im Zentrum.
Über Zugumstellung wird an Brett 1 ebenfalls ein Drache diskutiert. Žarko Vučković packt ihn seinem Stil getreu aber ruhig und positionell an.
Kein Drache, sondern ein schwarzer Löwe steht bei Arne Deschler gegen René Gaisbauer zur Debatte. Wer wird an Brett 6 Jäger, wer Gejagter sein?
Bei Christian Struck, dem gestern ein schöner Sieg gegen einen höher eingeschätzten Gegner gelang, sah es zunächst kurz danach aus, als wollte er auf den Spuren von Tiger’s Modern wandeln. Inzwischen hat er Markus Lechermann aber eher zu einer kleinen Bootstour auf dem längsten Fluss Europas eingeladen, der ja für seine schachlichen Untiefen berüchtigt ist.
Anton Gauk nennt mittlerweile zwei Mehrbauern sein Eigen, doch sein König wird von der weißen Streitmacht in die Zange genommen. Hier scheint das Ende des Drachen nahe.
Auch an Brett 2 brennt es am Königsflügel. Quang hat sich mit einem Bauern bis nach g6 durchgeschlagen, könnte auch noch f7 mit Schach nehmen. Der Berichterstatter würde hier allerdings trotzdem lieber mit Schwarz spielen, denn IM Reichs Figuren scheinen für einen heftigen Konter gegen den weißen König bereitzustehen.
Žarko hat sich inzwischen sein heißgeliebtes Läuferpaar gesichert und wirft die schwarzen Figuren nun schrittweise zurück. Da ihm Lars Balzer obendrein ein verbundenes Freibauernpaar am Damenflügel gestatten muss, das von den Läufern hervorragend unterstützt wird, dürfte die Messe hier bereits gelesen sein.
René Gaisbauers Löwe klopft ein erstes Mal an die Tür der weißen Königsstellung. Arne Deschler wirkt indes nicht sonderlich beunruhigt, hat er doch zahlreiche eigene Figuren am Königsflügel versammelt.
Auf Brett 31 lässt sich ein Mehrbauer für Weiß konstatieren, der weiterhin im Zentrum klar überlegen steht. Ein schwarzer Angriff auf der halboffenen h-Linie ist nicht in Sicht.
Markus Lechermann bemüht sich, seinen Damenflügel zu konsolidieren. Gelingt ihm das nachhaltig, so darf er sehr zuversichtlich in die Zukunft blicken. Noch steht allerdings auch der weiße König in der Mitte.
Asim Muharemagic tut es St. Georg gleich und verwundet Anton Gauks Drachen tödlich. Fernab der Heimat wird der schwarze Monarch auf e2 zur Strecke gebracht.
An Brett 1 dauert die Partie ebenfalls nicht mehr lange. Žarko treibt sein Freibauernpaar Stück für Stück nach vorne und darf im 32. Zug die Glückwünsche seines Kontrahenten Lars Balzer entgegennehmen.
Kurz darauf ist auch der Kampf an Brett 2 beendet. In gedrückter Stellung unterläuft Quang ein taktisches Versehen, das IM Reich einen ganzen Turm und die unverzügliche Aufgabe seines Gegners einbringt.
Arne Deschler verteidigt sich gegen die schwarzen Angriffsbemühungen lange Zeit umsichtig. Im 25. Zug ergibt sich dann doch eine taktische Chance für seinen Gegner, welche dieser aber ungenutzt lässt. Im 30. Zug bietet René Gaisbauer dann die Punkteteilung an, sodass der Kampf mit dem schwarzen Löwen unentschieden endet.
Die Schifffahrt auf der Wolga wird zu einem Tanz auf dem Vulkan für Markus Lechermann, denn Christian Struck heizt seinem Gegenüber mit einem positionellen Qualitätsopfer ordentlich ein. Die Stellung spielt sich für Schwarz deutlich leichter, was sich auch zunehmend im Bedenkzeitverbrauch niederschlägt. Nach einigen taktischen Verwicklungen gibt Weiß schließlich die Dame gegen Turm und Springer, sodass ein Endspiel mit 2 Türmen und drei Bauern gegen Dame und fünf Bauern entsteht. Hier findet Christian dann kein Durchkommen und wählt mit deutlichem Zeitvorteil das Remis durch Dauerschach.
Alexander Tsiapouris hat sich zwischenzeitlich einen zweiten Mehrbauern erspielt und nennt zudem das Läuferpaar sein Eigen. Hier scheint sich also die Erfahrung gegen den jugendlichen Elan durchzusetzen, und so kommt es an Brett 31 dann auch ohne besondere Vorkommnisse im 72. Zug zu einem Weißsieg durch Matt.
Damit wollte sich der Berichterstatter eigentlich in Richtung Bistro verabschieden, doch fiel beim letzten Rundgang noch Brett 45 ins Auge, wo Arthur Sitnik und Jens Plathen das seltene Endspiel Dame gegen drei verbundene Freibauern auskämpften. Arthur gelang es hier, die schwarze Bauernwalze mit seiner Dame zu blockieren, wonach der Partiegewinn die logische Konsequenz war.
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