Die Nachmittagsrunde begann mit dem Hinweis des Turnierorganisators Stefan Blodig, dass aufgrund eines technischen Problems in der 3. Runde keine virtuellen Punkte vergeben wurden, was zu den etwas verwunderlichen Paarungen geführt hat. Da der Fehler leider erst nach Veröffentlichung im Internet auffiel, durfte nach den FIDE-Regularien auch keine Korrektur mehr vorgenommen werden.
Das Team möchte sich an dieser Stelle noch einmal aufrichtig für die Unannehmlichkeiten entschuldigen. Wir wünschen Euch weiterhin ein schönes Turnier!
Durch den fehlenden halben virtuellen Punkt ergeben sich in dieser Runde eine ganze Reihe von Paarungen mit deutlichen Spielstärkeunterschieden – ob dies zugleich bedeuten wird, dass die Partien einseitig verlaufen werden, bleibt abzuwarten. In der Spitze treffen nun bereits die ersten Titelträger aufeinander.
FM Petro Lohvinov muss sich gegen GM Hagen Poetsch mit einem sizilianischen Drachen auseinandersetzen. Weiß geht die Sache mit der kurzen Rochade ruhig an, Schwarz fianchettiert auch noch seinen zweiten Läufer, womit wir in die Gefilde eines “Doppelloch-Igels” kommen.
An Tisch 2 mit IM Yevgeniy Roshka gegen den Lokalmatador Adnan Abdić wird ein Fianchetto-Nimzoinder diskutiert. Schwarz tauscht die schwarzfeldrigen Läufer ab und stellt anschließend programmgemäß seine Bauern auf den nämlichen Feldern auf. Hier ist noch nicht viel passiert.
FM Dieter Seyb stellt gegen GM Bryan Smiths Najdorf-Sizilianer 6.a3 aufs Brett. Er scheint sich hier gut auszukennen, denn nach zehn Zügen hat er bereits über 20 Minuten mehr auf der Uhr als sein Gegenüber und obendrein zwei Springer auf den Vorpostenfeldern f5 und d5 platziert. Schwarz hat demgegenüber bereits seinen d-Bauern bis nach d4 vorgeschoben.
Dominik Höpfl, der in der vorangegangenen Runde mit seinem Sieg über IM Thomas Reich aufhorchen ließ, hat es nun mit einem weiteren Titelträger in Person von FM Sebastian Böhme zu tun. Sebastian legt die Partie ganz im Geiste Nimzowitschs an und überlässt seinem Kontrahenten das Zentrum, während er aus der Ferne Figurendruck auf die vorgerückten Bauern richtet.
Dass unser 2. Freundschachts-Open international besetzt ist, kann man beispielsweise an Tisch 25 erkennen. Hier spielt mit Weiß CM Ahmad Safy Kanz aus Afghanistan gegen Alfons Breu. Dem weißen Botvinnik-Dreieck in der englischen Eröffnung tritt Schwarz mit einem Aufbau mit Damenfianchetto entgegen. Hier zeichnet sich ein längerer Positionskampf ab.
Eines der zahlreichen Duelle “Jung versus Erfahren” gibt es an Brett 35. Hier muss sich Jan Spielmann mit Robert Trapps Skandinavier auseinandersetzen und legt die Partie mit der langen Rochade ambitioniert an.
Ebenfalls Skandinavisch wird an Tisch 45 debattiert. Der unter englischer Flagge startende Ayan Pradhan kann gegen Leon Olfert auf einigen Raumvorteil verweisen und hat gerade einen Vorpostenspringer auf e5 etabliert.
An Brett 50 scheint man es eilig zu haben. Sebastian Hartl-Karlies und Alex Moldovan sind nach einer guten halben Stunde bereits im Endspiel angelangt, wobei Alex noch genauso viel Zeit wie zu Beginn der Partie auf der Uhr hat. Er scheint hier auch am Drücker zu sein.
Die ersten Ergebnisse trudeln ein: Peter Hahn und Michael Boger sind siegreich. Vincent Blodig schlägt seinen Vereinskollegen Theo Klein, auch Alex Rempel jr. meldet raschen Vollzug.
An Tisch 1 setzt Hagen Poetsch zum typisch sizilianischen Manöver Se5-c4 an. Sein rückständiger d-Bauer stellt aktuell keinerlei Problem dar. Die Stellung sieht bequem für Schwarz aus.
An Brett 2 sind bei blockiertem Zentrum die Brettabschnitte zugeteilt: Weiß wird wohl am Damenflügel vorgehen wollen, Schwarz sein Heil am Königsflügel suchen.
Dieter Seyb hat auf a8 eine Qualität gewonnen und zudem einen Bauern mehr. Allerdings ist dem Sa8 gerade der Rückweg abgeschnitten und das lästige schwarze Damenschach auf a5 will auch pariert sein. Der schwarze König steht indes auf d7 gewiss nicht optimal. Das verspricht, eine spannende Partie zu werden.
Dominik Höpfls Damenflügel wartet weiterhin auf seine Entwicklung. Weiß ist hier schon deutlich weiter, muss sich nun allerdings mit einem Bauern auf e3 auseinandersetzen, den der Schwarze keck dorthin vorgestoßen hat.
An Tisch 25 nennt Weiß einigen Raumvorteil sein Eigen. Alfons Breus Figurenaufstellung wirkt im Moment nicht besonders glücklich, insbesondere sein Läuferpaar entfaltet aktuell keinerlei Wirkung.
An Brett 35 hat sich nun auch Schwarz zur langen Rochade entschlossen. Bemerkenswert ist, dass die 4. und 5. Reihe quasi “leergefegt” sind, ganz ohne Bauern und nur mit einem weißen Lc4. Ist das die Demarkationslinie für einen frühen Friedensschluss?
Die Partie an Tisch 45 endete just in dem Moment, als der Berichterstatter dort vorbeikam. Weiß hatte eine versteckte Drohung aufgestellt, die der Schwarze prompt übersah und im Angesicht eines nicht mehr abwendbaren Figurenverlusts umgehend die Waffen streckte. Eine reife Leistung des noch sehr jungen Ayan Pradhan.
Nach 16…Tfd8? schlug Weiß mit 17.b5! zu und gewann nach 17…Sc5 18.Db4 Springer und Partie.
Auch Brett 50 ist bereits beendet. Beim Versuch, den schwarzen Druck auf das weiße Zentrum taktisch aufzulösen, geriet Weiß auf Abwege und stand mit einer Qualität weniger auf verlorenem Posten.
Beginnend mit 20.La3? begab sich Weiß hier auf einen Irrweg.
Beim Rundgang eben fiel Brett 19 ins Auge, das komplett in Flammen steht. Vorjahressieger IM Thomas Reich scheint hier gegen Chad Smith in enormen Schwierigkeiten zu stecken. Seine Nehmerqualitäten hat Reich bereits vielfach unter Beweis gestellt, doch könnte sich hier eine weitere große Überraschung anbahnen. Wir bleiben dran!
Eine Bilderbuchstellung bei IM Reich – Smith.
An Tisch 1 stehen viele schwarze Bauern auf der 6. Reihe, der g-Bauer sogar auf g5, was in Verbindung mit dem abgetauschten Fianchettoläufer die schwarze Königsstellung etwas aufgelockert hat. Hagen Poetsch schüttelt mehrfach den Kopf und scheint mit dem Gang der Ereignisse nicht zufrieden zu sein.
Bei IM Roshka – Abdić hat sich der schwarze Damenflügel fast zur Gänze aufgelöst, auf d5 thront stolz ein weißer Mehrfreibauer. Hier ist der Anziehende spürbar besser aus den Verwicklungen hervorgegangen und kann nun über die Vorteilsverwertung nachdenken.
GM Smith hält mit drei verbundenen Freibauern und dem Läuferpaar inzwischen mehr als ausreichende Kompensation für die gegebene Qualität. Zeitlich liegt er allerdings rund 30 Minuten gegenüber Dieter Seyb zurück.
Der schwarze Damenflügel an Tisch 5 befindet sich nach wie vor im Dornröschenschlaf. Weiß hat Springer auf c4 und d6 installiert und dazu 30 Minuten Vorsprung auf der Uhr. Schwarz versucht, sich mit Se3 zu entlasten, doch FM Böhme wird ihn hier wohl kaum den Dampf aus dem Kessel nehmen lassen.
Eine malerische Stellung. Mit 19.Dd4! hielt Sebastian den Druck hoch und konnte keine zehn Züge später seinen dritten Punkt verbuchen.
Alfons Breu stößt an Brett 25 kühn mit g7-g5 vor. Der weiße Hebel f2-f4 dürfte sich jedoch auch mit dieser radikalen, den eigenen König schwächenden Maßnahme kaum auf Dauer verhindern lassen.
Die Partie an Tisch 35 ist bereits beendet. Jan Spielmann unterlief ein taktisches Versehen, das ihn die Dame kostete. Danach war für ihn nichts mehr zu machen – hier setzte sich also nochmal die Erfahrung über den jugendlichen Elan durch.
Mit 19…Sxd3+! stellte Robert Trapp hier die Weichen auf Sieg.
Gewonnen hat auch Sebastian Böhme, der aus der Diagrammstellung oben keine zehn Züge mehr zum SIeg benötigte. Mit 3/3 hat er einen optimalen Start hingelegt und wird morgen sehr wahrscheinlich auf einen anderen Titelträger treffen.
Petro Lohvinov hat an Brett 1 den Bauern auf a7 geklaut. Im Gegenzug geht allerdings sein Bauer c2 verloren. Der Bauer e4 hängt ebenfalls, der schwarze Sf4 sitzt auf einem schönen Vorposten. Hier kann es noch etwas dauern.
Schneller gehen könnte es dagegen an den Tischen 2 und 3. IM Roshka ist inzwischen mit einem Turm auf c7 eingedrungen und erfreut sich nach wie vor seines Mehrfreibauern auf d5. Adnan Abdić steht ziemlich gedrängt und sollte sein Heil wohl im Vorstoß e4-e3 suchen. GM Smith wirft FM Seybs Figuren langsam, aber sicher zurück. Ewig dürfte Weiß die schwarze Bauernwalze am Damenflügel nicht mehr aufhalten können.
Bei IM Reich hat sich der Rauch verzogen: Beide Seiten haben gleiches Material, Weiß dabei einen Freibauern auf e7 sowie zwei verbundene Freibauern auf c4 und b5. Schwarz hält mit verbundenen Freibauern auf d4 und e3 dagegen und kann auf den offenen weißen König verweisen. Thomas Reich bietet daher Damentausch an, worauf Chad Smith mit einem Königszug antwortet und so noch den Bauern d4 ersatzlos einbüßt, bevor dann doch die Damen getauscht werden. Das dürfte ein Versehen gewesen sein. IM Reich kann hier wieder guten Mutes in die Zukunft blicken.
An Brett 25 hat CM Ahmad Safy Kanz inzwischen eine Qualität für einen Bauern gegeben. Alfons Breu steht ziemlich gedrängt und hat ein paar Schwächen zu verteidigen, dafür die Qualität und etwas mehr Zeit auf der Uhr. Man darf gespannt sein, wie sich die DInge hier entwickeln werden.
Brett 3 endet mit einem Schwarzsieg. Die Freibauern rückten erbarmungslos vor und ließen Weiß letztlich keine Alternative zum Hissen der weiße Fahne mehr. Damit steht auch GM Smith bei perfekten 3/3.
Die schwarzen Freibauern im Verbund mit dem Läuferpaar sind zu stark.
3/3 hat ebenfalls IM Yevgeniy Roshka. Er lässt Adnan Abdić nicht mehr vom Haken und vollstreckt am Ende mit einem Damenopfer, wonach die Umwandlung seines Freibauern nicht mehr zu verhindern ist.
Mit 36.Dxe7! vollstreckte IM Roshka gegen Lokalmatador Adnan Abdić.
IM Reich behält in einer wilde Partie gegen Chad Smith die Oberhand. Die Engine-Bewertung gleicht ab Zug 30 einer Achterbahnfahrt, doch am Ende gewinnt eben – frei nach Dr. Tartakower – der vorletzte Fehler. Vorjahressieger Thomas Reich kann damit 2/3 Punkte auf seinem Konto verbuchen.
CM Ahmad Safy Kanz bezwingt Alfons Breu. Nach dem positionellen Qualitätsopfer verstärkte Weiß geduldig seine Stellung und schlug zu, als sich eine taktische Gelegenheit bot. Damit 2/3 für den jungen Mann aus Afghanistan.
Die schwarze Stellung war schon schwierig, doch nach 36…Lc8? ging es dann ganz schnell: 37.Lxc8 Txc8 38.Sf5+ und gegen die Drohung Sxd6 ist kein Kraut gewachsen.
Nach vier Stunden laufen noch fünf Partien, unter anderem diejenige am Spitzenbrett, wo ein komplexes Endspiel mit jeweils zwei Türmen, Springer und vier Bauern debattiert wird. Petro Lohvinov besitzt dabei einen entfernten Freibauern auf b2, hinter dem sich jedoch ein schwarzer Turm postiert hat. Zeitlich liegt Hagen Poetsch leicht vorne.
Nun gibt er einen Turm für Springer und Bauer. Weiß muss fortan vor Mattdrohungen gegen seinen König auf der Hut sein.
Soeben endet die Partie am Spitzenbrett durch Zugwiederholung unentschieden. Damit kommen sowohl GM Poetsch als auch FM Lohvinov auf 2,5/3 Punkten.
Hier wurden mit 52…Tb1+ 53.Kf2 Tb2+ die Züge wiederholt.
Als letzte Partie der 3. Runde läuft noch die Begegnung zwischen Michael Martin und Andreas Hohoff an Tisch 55. Hier rückt ein weißes Freibauernpaar bedrohlich nach vorne.
Und in diesem Moment endet die Partie an Brett 55 mit einem vernehmlichen Seufzer vonseiten des Schwarzen. Nach langem Kampf fährt Michael Martin damit seinen ersten Sieg beim diesjährigen Freundschachts-Open ein.
Die 4. Runde startet morgen um 9 Uhr. Die Auslosung folgt in wenigen Minuten.
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