Bretter frei zu Tag 3!

Guten Morgen aus dem Wittelsbacher Schloss zu Friedberg! Seit rund zehn Minuten läuft die fünfte Runde des diesjährigen Freundschachts-Opens, mit dem Duell der beiden verlustpunktfreien Großmeister an Brett 1. Wir berichten für Euch in Kürze wieder live vom Geschehen auf den 64 Feldern.

Am Spitzenbrett steht klassisches Französisch zur Debatte. Sowohl GM Hagen Poetsch als auch GM Li Min Peng befinden sich hier bestimmt noch in der Theorie. Weiß verfügt mit seinem Bauerndreieck im Zentrum über den typischen Raumvorteil, Schwarz bereitet ein Vorgehen am Damenflügel vor. Sollte diese Partie einen Sieger finden, wäre das bei noch zwei zu absolvierenden Runden sicher schon ein kleiner Fingerzeig in Richtung Turniersieg. Seien wir gespannt, wie intensiv der Kampf werden wird oder ob es am Ende doch zu einem „Großmeisterremis“ kommen wird.

An Tisch 2 sitzt IM Vadym Petrovskiy mit Vladimir Holzmann vom SC Zusamspringer die Nummer 89 der Setzliste gegenüber. Nominell trennen die beiden über 800 Wertungspunkte, doch im Turnierverlauf haben bislang beide 3½/4 erzielt. Vladimir greift gegen die spanische Eröffnung seines Kontrahenten zur modernen Steinitz-Verteidigung – ein zwar etwas passives, aber grundsolides System für den Nachziehenden. IM Petrovskiy wird wahrscheinlich versuchen, seinen Raumvorteil zur Geltung zu bringen, möglicherweise durch Vermeidung von Figurentausch.

Am 3. Brett wird dem Publikum ebenfalls ein Franzose dargeboten, hier allerdings die scharfe Winawer-Variante mit frühem weißen Damenausflug nach g4. Schon bald steht sowohl bei Lokalmatador Quang Bach Duong als auch bei GM Bryan Smith jeweils ein Doppelbauer auf der c-Linie. Eine scharfe Partieanlage der beiden Kombattanten; diese Begegnung sollten die Zuschauer im Auge behalten.

Ein nominell ähnlich ungleiches Duell wie an Tisch 2 sehen wir auch an Brett 4. Hier nimmt es der junge Christian Gunchev vom SC Sonthofen mit den schwarzen Steinen mit dem rund 700 Wertungspunkte schwereren FM Vadim Lavrinenkov auf. In einem Dameninder spielt der Nachziehende recht zügig; augenscheinlich kennt er sich in der diskutierten Variante aus. Sein Gegenüber hat eben mit d4-d5 Raum gewonnen und wäre gewiss nicht unglücklich darüber, Schwarz hier langsam, aber sicher positionell zu überspielen.

Eine Eröffnungsfalle scheint Simon Ulrich Maria Schaad an Tisch 18 gegen den um über 200 DWZ-Punkte stärkeren Wladislaw Berlizov präpariert zu haben. Im Sizilianer mit frühem Fianchetto des weißen Damenläufers opfert er ebenjenen, um die schwarze Dame tief im weißen Lager einzufangen. Der Nachziehende investiert auf der Suche nach einem Rückzug für seine Königin viel Bedenkzeit, doch wirkt der Anziehende überzeugt von seiner Eröffnungskonzeption. Wird Wladislaw seine Dame doch noch retten können? – Wir bleiben dran für Euch.

Vasko Isaković, unser frischgebackener Jugendleiter, schlägt am 36. Brett eine scharfe Klinge gegen Andreas Hierl, seines Zeichens amtierender Stadtmeister von Neumarkt in der Oberpfalz. Aus einem Panow-Angriff heraus ist eine Position mit jeweils zwei Türmen und zwei Läufern entstanden, in der Vasko eine Bauernschwäche auf c3 zu verwalten hat. Er schickt seinen f-Bauern gegen die schwarze Rochadestellung ins Rennen, solange der Nachziehende seine Figuren noch nicht optimal koordiniert hat, und hofft auf Angriffschancen gegen den feindlichen Monarchen. Sonderlich beunruhigt wirkt Andreas deshalb jedoch nicht.

Einen schwerblütigen Positionskampf auf dem Gebiet der königsindischen Verteidigung bekommen die Zuschauer an Tisch 49 zwischen Benjamin Lutz Ehrlich vom SG Turm Albstadt und Johannes Bosch aus Göggingen geboten. Bei vollem Brett genießt Weiß einigen Raumvorteil; Schwarz hingegen kann auf 30 Minuten Zeitvorsprung verweisen. Hier bahnt sich wohl eine längere Sitzung an.

Ein weiteres Duell „Erfahren vs. Jung“ steigt an Brett 61 zwischen dem weitgereisten Gunnar Gailis vom SV 1922 Hilden und dem U12-Spieler Lukas Steglich aus der bei unserem Turnier zahlreich vertretenen Dachauer Delegation. In einem Damengambit hat der Anziehende seinem Gegner früh zwei Doppelbauern auf d- bzw. g-Linie verschafft; die geschlossene Natur der Stellung begünstigt die noch auf dem Feld vorhandenen Springer, von denen beide Seiten zwei ihr Eigen nennen. Gailis‘ Partieanlage macht einen guten Eindruck.

Bei Gailis – Steglich ist ein gewisser weißer Positionsvorteil nicht von der Hand zu weisen.

Ein schnelles Remis unter Großmeistern gibt es im Spitzenduell heute Vormittag nicht; die heterogenen Rochaden versprechen einen interessanten Kampf. GM Li Min Peng geht denn auch am Damenflügel vor, muss jedoch seinen rückständigen Bauern auf e6 im Auge behalten, der den französischen Läufer auf c8 einschränkt. Das weiße Läuferpaar wirkt indes auch noch nicht richtig. Hier dürfte es noch ein Weilchen dauern.

Flott geht es an Tisch 2 voran: IM Vadym Petrovskiy und Vladimir Holzmann haben bereits über 30 Züge absolviert. Die Stellung hat königindische Züge angenommen, wobei der Nachziehende 2 Figuren für Turm und Bauer erhalten hat. Der ausschlaggebende Faktor in der Position sind allerdings die beiden weit vorgerückten weißen Freibauern auf b5 und c7; das schwarze Spiel am Königsflügel ist über die Anfänge dagegen nicht hinausgekommen. Hier steht der Favorit auf Gewinn und wird die Partie bald zu seinen Gunsten entscheiden.

Ein mächtiges Freibauernpaar bei IM Petrovskiy – Holzmann.

Bei Duong – GM Smith steht eine komplexe Stellung auf dem Brett: Beide Seiten haben auf die Rochade verzichtet und ihre Könige stattdessen auf f2 bzw. d7 postiert. Der weiße Springer auf g1 sieht sich noch nach saftigeren Weidegründen um; die den Kombattanten verbliebenen Läufer sind jeweils die formal „schlechten“. Schwache Bauern gibt es ebenfalls in beiden Lagern. Insgesamt alles sehr undurchsichtig hier; zeitlich liegt Quang um 20 Minuten vorne.

FM Lavrinenkov hat einen gedeckten Freibauern auf d5 etabliert. Seine Figuren wirken etwas aktiver, doch Schwarz spielt nach wie vor munter mit, auch auf der Uhr. Gerade knabbert Christian Gunchev den weißen Deckungsbauern auf c4 an.

Das erste Ergebnis der beobachteten Spiele erreicht uns von Brett 2: Vladimir Holzmann wurde der weißen Freibauern nicht Herr und musste die Überlegenheit seines meisterlichen Kontrahenten anerkennen. IM Vadym Petrovskiy steht damit nun bei 4½/5, Vladimir Holzmann bei 3½/5. Der Nachziehende kann sich außerdem auf die Fahne schreiben, dass es schon einen IM brauchte, um ihm die erste Niederlage in diesem Turnier beizubringen. Eine starke Leistung von beiden bis hierhin!

Simon Schaad hat Wladislaw Berlizovs Dame für Turm und Figur gewonnen. Eine gute Grundlage für ein Spiel auf Sieg gegen seinen starken Kontrahenten; mit 35 Minuten mehr auf der Uhr überlegt der Anziehende aktuell an seinem weiteren Vorgehen.

An Tisch 36 hat Vasko Isaković zwar den Vorstoß f4-f5 durchgesetzt, doch bislang nichts Greifbares damit erzielt. Seine Bauernschwäche auf c3 steht unter Beschuss durch Andreas Hierls schwere Artillerie und auch der Bauer auf e5 könnte sich eines Tages als verwundbar herausstellen. Der schwarze La5 ist gegenwärtig eingesperrt, zielt aber auf den Schwächling auf c3. Die schwarze Partieanlage macht auf den Berichterstatter hier insgesamt den etwas harmonischeren Eindruck.

Johannes Bosch ist an Brett 49 offenbar ein Versehen unterlaufen, anders ist der weiße Mehrbauer auf a6 kaum zu erklären. Überdies hat sich für Benjamin Ehrlich nun ein schönes Springerfeld auf b5 ergeben, zusätzlich zu dem bereits vorhandenen auf c4. Hier liegt der Vorteil nun klärlich beim Anziehenden; der Zeitvorsprung von 20 Minuten dürfte für Schwarz nur ein schwaches Trostpflaster darstellen.

Mit 17.Sb2 plante Benjamin Ehrlich hier nicht nur die Umgruppierung nach c4, sondern demaskierte auch seinen Le2 in Richtung des schwarzen Bauern auf a6, was Johannes Bosch prompt entging.

Lukas Steglich beherzigt die Regel des ersten Weltmeisters Wilhelm Steinitz, den Wirkungskreis gegnerischer Springer durch gezielte Bauernzüge einzuengen. Die weißen Felder in seiner Königsstellung sind geschwächt, doch nach dem Abtausch der Türme könnte nun bald auch noch der Damentausch folgen, was ein interessantes Doppelspringerendspiel nach sich ziehen würde. Die schwarzen Doppelbauern allerdings dürften weiterhin eine Hypothek für den jungen Dachauer bedeuten.

GM Poetsch verbleiben für etwas mehr als zehn Züge nur noch knapp zehn Minuten – 25 Minuten weniger als seinem Gegenüber, GM Peng. Beiden Kombattanten sind noch jeweils zwei Türme, der weißfeldrige Läufer sowie vier Bauern verblieben. Schwarz ist es gelungen, mit einem Turm auf die zweite Reihe einzudringen; seine beiden Zentralbauern kontrollieren wichtige Felder. Der Anziehende könnte in einem potentiellen Endspiel auf seinen entfernten b-Freibauern setzen. Alles in allem eine scharfe Stellung, die alle drei Ergebnisse zulässt, gleichwohl im Moment die schwarzen Chancen etwas realer zu sein scheinen.

Quang hat gegen Bryan Smith inzwischen einen Bauern mehr; dabei handelt es sich allerdings um einen Tripelbauern in der c-Linie. Schwerer dürfte sein Zeitvorteil von aktuell rund 25 Minuten wiegen, bei noch knapp 15 Zügen bis zur Zeitkontrolle. Der Großmeister wirkt unzufrieden mit seiner Stellung: Für Weiß spielt es sich hier offenbar einfacher; ein guter Plan für den Nachziehenden ist auf den ersten Blick von außen nicht zu erkennen und die Zeit wird knapp. Zuschauen lohnt sich!

Was tun mit Schwarz in Duong – GM Smith?

Christian Gunchev aus Sonthofen hält gegen den auf dem Papier übermachtigen FM Vadim Lavrinenkov nach wie vor mit. Sein Mehrbauer auf der c-Linie ist zwar verdoppelt, doch konnte er auch ein Zeitplus von 20 Minuten herausarbeiten. Den angebotenen Damentausch lehnt der Lokalmatador mit den weißen Steinen konsequenterweise ab, doch die Grundfesten der schwarzen Position konnte er bislang noch nicht erschüttern. Auch auf diese Begegnung sollte man ein Auge haben.

Wladislaw Berlizov ist es trotz seines Materialnachteils gelungen, seinen Figuren zu einiger Aktivität zu verhelfen. Simon Schaads Zeitvorsprung ist dahingeschmolzen, doch wirkliche Fortschritte lassen sich nicht verzeichnen, da seine Figuren mit Deckungsaufgaben am Königsflügel beschäftigt sind. „Wie weiterkommen?“, lautet die grundsätzliche Frage, die der Anziehende hier beantworten muss.

Schaad – Wl. Berlizov: Die schwarze Figurenaktivität überkompensiert das Minusmaterial inzwischen.

Mit einem Schwarzsieg endet die Begegnung an Tisch 36 zwischen dem Augsburger Jugendleiter Vasko Isaković und Andreas Hierl aus Neumarkt. In einer typischen Caro-Kann-Partie baute der Schwarzspieler Druck auf die weiße Bauernschwäche auf c3 auf. Bauernverlust konnte der Anziehende zwar gerade noch vermeiden, musste dafür jedoch einen Freibauern auf der b-Linie akzeptieren, der ihm letztlich zum Verhängnis wurde.

Mit dem taktischen Schlag 36…Lb4! gewann Andreas Material und kurz darauf auch die Partie.

Ein weiteres Ergebnis erreicht uns von Brett 3: Der junge Lokalmatador Quang Bach Duong bringt es gegen GM Bryan Smith zu Ende und bezwingt seinen ersten Großmeister! Eine bärenstarke Leistung von Quang, der mit nunmehr 4½/5 ein gewichtiges Wörtchen im Kampf um den Turniersieg mitsprechen dürfte.

Der Schlusspunkt bei Duong – GM Smith: Schwarz gab auf.

Bei Ehrlich – Bosch an Tisch 49 hat der Anziehende ein Endspiel mit Mehrfigur und Mehrbauer erreicht. Hier dürfte das „1:0“ kurz bevorstehen.

Ebenfalls ein Endspiel mit Mehrfigur hat Gunnar Gailis gegen Lukas Steglich erreicht. Als er dort eben am Brett stand, vernahm der Berichterstatter ein Remisangebot des Schwarzspielers, welches aber umgehend abgelehnt wurde. Hier dürfte sich der Senior aus Nordrhein-Westfalen durchsetzen.

Am Spitzenbrett steht mittlerweile ein Turmendspiel mit jeweils zwei Bauern zur Debatte. GM Pengs e-Freibauer bereitet GM Poetsch dabei einiges Kopfzerbrechen, da sein König auf der c-Linie abgeschnitten ist. Schwarz spielt auf Sieg.

Auf dem Weg zum 5. Sieg im 5. Spiel: GM Li Min Peng mit Schwarz gegen GM Hagen Poetsch.

Ein weiteres Turmendspiel kämpfen FM Vadim Lavrinenkov und Christian Gunchev an Tisch 4 aus. Für den schwarzen Mehrbauern kann der Augsburger Lokalmatador auf seinen aktiven König verweisen. Für einen Sieg des turmhohen Favoriten dürfte das allerdings zu wenig sein.

FM Lavrinenkov – Gunchev nach dem 46. Zug von Schwarz: Das Turmendspiel sieht remislich aus.

Am 49. Brett ist der Weißsieg inzwischen amtlich. Damit schraubt Benjamin Ehrlich sein Punktekonto auf 3/5 hoch, während Johannes Bosch vorerst bei 2/5 stehen bleibt.

Und auch an Tisch 4 gibt es ein Ergebnis: Remis zwischen FM Vadim Lavrinenkov und Christian Gunchev! Der junge Sonthofener spielt hier bisher das Turnier seines Lebens und steht als Nummer 100 der Setzliste nach fünf Runden ungeschlagen bei bärenstarken 4/5. Auf diese Punktzahl kommt auch der Augsburger Lokalmatador; bei ihm hatte man das vor dem Turnier freilich eher auf dem Erwartungszettel als bei Christian.

Beendet ist ebenfalls die Spitzenpartie dieser Runde: GM Li Min Peng ringt GM Hagen Poetsch im Turmendspiel nieder und steht jetzt bei makellosen 5/5. Für den mehrfachen deutschen Pokalsieger Hagen Poetsch bedeutet diese Weißniederlage natürlich einen herben Rückschlag im Kampf um den Turniersieg.

Gunnar Gailis setzt Lukas Steglich an Tisch 61 nach 62 Zügen matt und kommt damit auf 50 Prozent der möglichen Punkte.

Drei Partien laufen momentan noch, darunter diejenige am 18. Brett zwischen Simon Schaad und Wladislaw Berlizov. Hier steckt der Anziehende mittlerweile in großen Schwierigkeiten, droht ihm doch akuter Materialverlust aufgrund der aktiven schwarzen Figuren. Sollte der Nachziehende das Blatt komplett wenden können? Weiß überlegt fieberhaft an einem Ausweg; knapp an Bedenkzeit sind beide Kombattanten.

Doch er findet keinen: Wladislaw Berlizov beweist, dass eine böse Überraschung in der Eröffnung noch nicht das Ende der Partie bedeuten muss, und besiegt Simon Schaad in 61 Zügen.

Inzwischen sind alle Partien beendet. Wir arbeiten an der Auslosung für die vorletzte Runde, die heute Nachmittag um 15 Uhr beginnen wird.

Bis dahin wünschen wir einen guten Appetit in unserem Bistro: Heute kredenzt unsere Chefköchin selbstgemachte Kaspressknödel in Gemüsesud.


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