Seit rund 15 Minuten sind die Uhren der heutigen Nachmittagsrunde in Gang gesetzt. Wir berichten für Euch in Kürze wieder live vom Geschehen auf den 64 Feldern.
Die Spitzenbegegnung dieser 4. Runde lautet GM Li Min Peng – FM Nicholas Paltrinieri. Nach Bogoljubow-indischem Beginn entwickelt sich die Partie in Richtung Katalanisch. Schwarz hat nach einem Springertausch auf e4 einen Doppelbauern in der e-Linie bekommen, doch hemmt der Bauer auf e4 den weißen Fianchettoläufer und verschafft Schwarz Raumvorteil am Königsflügel. Hier könnte sich ein scharfer Kampf entwickeln.
Lokalmatador FM Vadim Lavrinenkov setzt an Tisch 2 gegen GM Bryan Smiths Spanier auf die stocksolide Berliner Verteidigung. Recht bald bietet der Anziehende seinen d-Bauern an, für den er sich gewiss Figurenaktivität erhofft. Vadim ist jedoch als gewiefter Verteidiger bekannt und greift unerschrocken zu. Ein kleines Zeitpolster kann er obendrein verbuchen.
Nach seinem Ausrufezeichen in der Vormittagsrunde hat der junge Erlanger Rafael Martin Fernandez am 3. Brett mit GM Hagen Poetsch nun ein weiteres Schwergewicht vor der Brust. Rafael scheint sich in der Mittagspause ausgiebig präpariert zu haben, denn nach 21 Zügen hat er mehr Bedenkzeit auf der Uhr als noch zu Partiebeginn. Diskutiert wird einmal mehr der Najdorf-Sizilianer; bei heterogenen Rochaden stürmt Weiß am Königsflügel mit den Bauern nach vorne, während Schwarz seine Feuerkraft auf den Damenflügel konzentriert. Trotz bereits dreier getauschter Leichtfigurenpaare sollte hier ein voller Kampf bevorstehen.
Eine weiße Weste trägt nach wie vor auch der Kelheimer Cornelius Mühlich an Tisch 4. Gegen IM Vadym Petrovskiy kommt die Moskauer Variante der sizilianischen Verteidigung aufs Parkett. Bald stehen zwei „Botvinnik-Dreiecke“ im Zentrum; der Nachziehende stellt mit f7-f5 gerade einen weiteren Bauern dazu. Eine strategisch anspruchsvolle Stellung; wir sind gespannt, wer sich hier besser zurechtfinden wird.
Der Augsburger Jens Wietschorke, ein bekennender Liebhaber scharfer Gambitvarianten, hat gegen den jungen Schweizer Ziad Kanana an Brett 11 bereits in der Eröffnung einen ganzen Turm preisgegeben. Allerdings steckt der vorgestoßene Bauer auf e6 wie ein Pfahl im Fleische der schwarzen Stellung, die reichlich paralysiert wirkt. Die schwarze Dame auf a1 steht nach dem Turmgewinn weit abseits vom Geschehen, während ihr weißer Widerpart bereit steht, über b7 in die schwarze Stellung einzubrechen, mit potentiell verheerenden Konsequenzen für den Monarchen des Nachziehenden. Hier scheint der Schwarzspieler geradewegs in eine Falle gelaufen zu sein, wie auch ein Blick auf den Zeitverbrauch beider Spieler nahelegt.
Eine bemerkenswerte Materialverteilung bietet sich dem Beobachter auf Tisch 22: Niklas Behn, mit 2½ Punkten bislang gut im Geschäft, hat von Benedikt Heller dessen Dame bekommen, jedoch im Austausch für Turm und zwei Figuren. Beide Könige stehen zudem nicht optimal: der weiße in der Mitte, der schwarze auf h8 ohne seinen Bh7. Gefährdeter dürfte allerdings derjenige des Anziehenden sein, der neben sich ein keckes schwarzes Ross auf d2 erdulden muss. Der Berichterstatter würde hier lieber auf der Seite des jungen Bechhofeners sitzen.

Nicht gerade alltäglich, aber gut für Schwarz: Die Materialverteilung bei Heller – Behn.
Am 40. Brett führt der junge Friedberger Lokalmatador Valentino Fendt die schwarzen Steine gegen den Ingolstädter Asim Muharemagic. Unter Aufgabe des Läuferpaars hat Valentino einen Bauern auf c2 abgegriffen, doch steht sein Mehrbauer isoliert auf d6 und ist nicht der Stärksten einer, während auch dem Turm auf c2 nicht eben viele Felder zu Gebote stehen. Ob dieser Bauerngewinn wohl eine gute Idee war?
Félix Martin Fernandez, Rafaels jüngerer Bruder, tritt an Tisch 58 im Duell zweier Jugendlicher gegen Kyryl Yarmish an. Nominell deutlich Favorit, sieht Félix sich einer weißen 3:2-Majorität am Damenflügel und einem starken weißen Fianchettoläufer auf b2 gegenüber. Sein eigener Springer auf g4 mag für Weiß zwar etwas lästig sein, doch insgesamt dürfte der Anziehende mit dem Gang der Ereignisse bis hier sicher nicht unzufrieden sein. Schauen wir, was passieren wird.
Am Spitzenbrett hat FM Paltrinieri eine Qualität ins Geschäft gesteckt, im Austausch für einen schönen Springer auf c5 sowie einen Bauern auf d4. Schwarz ist hier augenscheinlich bereit, ins Risiko zu gehen.
Das Spiel verschärft hat auch GM Smith am Nachbartisch: Er hat einen zweiten Bauern gegeben, um FM Lavrinenkovs Rochadestellung aufzureißen, und soeben seinen Läufer geopfert. Dies jedoch ist nur ein temporäres Opfer; für den übrigbleibenden Plusbauern muss der schwarze König ein unstetes Wanderleben führen. Die Initiative liegt hier beim Anziehenden, trotz des reduzierten Materials mit nur noch Dame und einem Turm.
Rafael Martin Fernandez verwaltet weiterhin einen komfortablen Zeitvorsprung von 30 Minuten, hat allerdings inzwischen einen Bauern eingebüßt. Der schwarze König steht trotz geöffneter g-Linie auf h8 hinter seinem Doppelbauern relativ sicher. Aktiver wirken die Figuren des Großmeisters, zu dessen Gunsten sich die Waage hier wohl allmählich zu neigen beginnt.
Größere Figurenaktivität muss auch an Tisch 4 bei IM Petrovskiy konstatiert werden; Cornelius Mühlich sah sich genötigt, seinen Springer nach g1 zurückzuziehen, wohingegen der schwarze Fianchettoläufer unangenehm in Richtung der langen weißen Rochadestellung schielt. Das materielle Gleichgewicht wurde indes noch nicht gestört; auf der Uhr stehen 25 Minuten mehr für den Anziehenden zu Protokoll.
Jens Wietschorke ist im Begriff, die auf a1 gefangene schwarze Dame zu erobern. Auf der Suche nach einem Ausweg ist sein Gegner Ziad Kanana bereits um 45 Minuten ins Hintertreffen geraten und hat für rund 25 Züge nur noch etwa 15 Minuten zur Verfügung. Das sieht gut aus für Weiß hier.
Benedikt Heller hat alle seine Figuren gedeckt gestellt, sodass Niklas Behns Dame ihnen nichts anhaben kann. Beide Läufer wurden inzwischen abgetauscht; der vorwitzige schwarze Springer auf d2 weigert sich weiterhin entschieden, seinen Platz tief im feindlichen Lager zu räumen. Seine beiden Freibauern auf der a- und b-Linie wird der Nachziehende perspektivisch in Richtung weißer Grundreihe in Bewegung setzen und darf frohen Mutes in die Zukunft blicken.
Valentino Fendts Antwort auf die oben aufgeworfene Frage nach der Güte seines Bauerngewinns lautet aktuell: „Ja!“ Sein Springervorposten auf c4 hegt den weißen Läufer auf a2 ein; zudem ist der Turm auf e2 etwas lästig für den Anziehenden. Asim Muharemagic investiert einige Bedenkzeit auf der Suche nach einer guten Fortsetzung, ohne zu viele Abtauschoperationen zuzulassen, und liegt diesbezüglich momentan 20 Minuten im Hintertreffen.
Am 58. Brett hat sich Félix‘ Springer nach e8 zurückgezogen. Die weißen Figuren entfalten hier folglich nach wie vor mehr Aktivität, unter anderem auf der offenen d-Linie und der langen schwarzen Diagonalen. Kyryl Yarmish muss allerdings erst noch einen Weg finden, um entscheidend voranzukommen.
Von einem Teilnehmer wurden wir auf die Begegnung an Brett 35 hingewiesen, in der Jan Spielmann mit Schwarz Aakarshan Jena der brutalen „königsindischen Behandlung“ unterzog und den Weißen im Opferhagel untergehen ließ. Unser Fazit: Thematisch gespielt und gnadenlos vollstreckt.

Mit 31…Txf3+! zerstörte Jan Spielmann die Königsstellung von Aakarshan Jena.
Bereits beendet ist die Partie an Tisch 22: Benedikt Heller meldet Vollzug gegen Niklas Behn und schraubt sein Punktekonto auf 3/4. Das wirbelnde schwarze Springerpärchen gabelte König und Turm des Anziehenden auf, was dieser sich dann verständlicherweise nicht mehr zeigen lassen wollte.
Am Spitzenbrett hat der italienische FM Nicholas Paltrinieri einen weiteren Bauern erobert und somit nun Springer und zwei Bauern für den investierten Turm. Der entfernte a-Freibauer des Nachziehenden könnte GM Peng in einem potentiellen Endspiel einmal Kopfzerbrechen bereiten. Einstweilen läuft hier aber noch das Mittelspiel, das Raum für alle drei Ergebnisse lässt. Der Zeitverbrauch beider Kombattanten hält sich in etwa die Waage.
Lokalmatador FM Vadim Lavrinenkov gebietet nach wie vor über einen Mehrbauern, doch bleibt sein Turm auf a8 weiter außer Spiel. GM Bryan Smith kann dagegen mit Dame und Turm agieren und schlägt eine angebotene Zugwiederholung darum aus. Das Signal ist klar: Weiß möchte hier gewinnen.
GM Hagen Poetsch erweist sich letztlich doch als eine Nummer zu groß für den jungen Rafael Martin Fernandez. Die Maschine zeigt allerdings bis zum 40. Zug stoisch „0.00“ an, trotz schwarzer Mehr- und Freibauern. 41.a5 jedoch war definitiv ein Fehler, wonach die weiße Stellung sofort unhaltbar wurde. Damit bewahrt GM Poetsch seine weiße Weste auch am zweiten Turniertag und grüßt vom Platz an der Sonne.

Stockfish sieht für Schwarz kein Vorankommen, wenn Weiß einfach mit dem König pendelt. Nach 41.a5? Db4 ging es auf der a-Linie allerdings jäh zu Ende.
Cornelius Mühlich hat seinen Springer von g1 auf das starke Feld d5 überführt. Eine Zierde seiner Zunft ist allerdings auch der schwarze Läufer auf d4. Im Verbund mit seinem Raumvorteil, den aktiveren Türmen und einer 2:1-Majorität am Königsflügel verdient hier sicherlich die Position des Nachziehenden den Vorzug.
Eine Überraschung gibt es von Tisch 6 zu vermelden: Christian Gunchev vom SC Sonthofen erkämpft sich ein Remis gegen den um über 500 DWZ-Punkte schwereren Maximilian Bildt von der SGem 1882 Fürth und steht als Nummer 100 der Setzliste nun bei sehr beachtlichen 3½/4.
Jens Wietschorke erringt seinen dritten Sieg in diesem Turnier. Zwar konnte Ziad Kanana für seine Dame noch einen Turm erkaufen und so zumindest nominell das materielle Gleichgewicht halten, doch sollte sich das Trio um Dame und zwei agile weiße Springer rasch als klar überlegen erweisen. Ein Start-Ziel-Sieg für den Spieler von Caissa Augsburg, der auf einen sehr erfolgreichen zweiten Tag beim 3. Freundschachts-Open zurückblicken kann.

Kein Vergnügen für Ziad Kanana: Dame und Springerpärchen sind zu stark für die unkoordinierte schwarze Streitmacht.
Asim Muharemagic hat seinen f-Bauern gegen die schwarze Rochadestellung in Marsch gesetzt. Lästig ist jedoch die schwarze Mattdrohung gegen g2. Hier hat es weiterhin den Anschein, dass Weiß keine ausreichende Kompensation für seinen Minusbauern besitzt. Valentino Fendt macht das hier bisher gut.
Überraschend endet die Begegnung an Brett 58 doch mit einem Sieg des Wertungsfavoriten Félix Martin Fernandez. Sein Gegenüber Kyryl Yarmish konnte seinen Positionsvorteil nicht entscheidend ausbauen, sodass nach Abtausch der übrigen Figuren ein Bauernendspiel mit jeweils sechs Bauern zur Disposition stand. Die weiße 3:2-Mehrheit am Damenflügel und die schwarze 4:3-Majorität am Königsflügel sollten sich hier neutralisieren, doch dann erlaubte der Anziehende seinem Kontrahenten, mithilfe eines starken Bauernopfers die weiße Phalanx zu zersplittern. Wenig später war das „0:1“ dann amtlich.

Hier griff Kyryl mit 43.Ke3? daneben. Félix ließ sich nicht zweimal bitten und stellte mit 43…a4! die Weichen auf Sieg.
In der Spitzenbegegnung ist der seltene Fall eingetreten, dass auf einer Seite – in diesem Fall bei GM Li Min Peng – keinerlei Bauern mehr auf dem Feld stehen. Schwarz besitzt für seinen Turm mittlerweile also Springer und ganze vier Bauern. Der gefährdetere der beiden Könige ist allerdings derjenige FM Nicholas Paltrinieris, der unter dem Feuer aller weißen Figuren (Dame, zwei Türme, Läufer) steht. Hier liegen taktische Schläge in der Luft.

Pure Dominanz der weißen Figuren bei GM Peng – FM Paltrinieri.
An Tisch 2 hat FM Lavrinenkov unter Rückgabe seines Plusbauern den schlafenden Ta8 aktiviert. Die Initiative jedoch liegt weiterhin bei GM Smith, der auf einen gefährlichen h-Freibauern und den nach wie vor sichereren König verweisen kann. Präzise Verteidigungsarbeit ist gefragt.
Gleiches Material inzwischen auch bei Muharemagic – Fendt am 40. Brett. Dies spielt dem Anziehenden in die Karten, der den schwarzen Druck neutralisieren konnte und angesichts seiner aktiveren Leichtfigur, der schwachen schwarzen Grundreihe sowie dem weißen Potential für einen Freibauern am Damenflügel nun selbst am Drücker ist.
Cornelius Mühlich hisst die weiße Flagge gegen IM Vadym Petrovskiy. Sein meisterlicher Gegner baute seinen Positionsvorteil Stück für Stück aus und gewann am Ende aufgrund seiner Freibauern an beiden Flügeln.

Mühlich – IM Petrovskiy: Die schwarzen Figuren sind auf Dauer zu aktiv. Nach der Zeitkontrolle gab der Anziehende schließlich auf.
Nach ziemlich genau vier Stunden laufen aktuell noch sechs Partien dieser Nachmittagsrunde.
Da waren es nur noch drei: An Tisch 1 bezwingt GM Peng seinen Gegner und schließt punktemäßig zu GM Poetsch auf. Einen Sieg vermeldet außerdem Lokalmatador Vincent Blodig am 11. Brett gegen Peter Nagy.
Inzwischen sind alle Begegnungen beendet, diejenige an Brett 2 dabei mit einer Punkteteilung. Wir versuchen, die Geschehnisse zeitnah aufzuarbeiten, doch da aktuell niemand für die Partieneingabe zur Verfügung steht, läuft beim Berichterstatter gerade entsprechend Mehrarbeit auf.
Die Auslosung wird zeitnah erfolgen. Morgen beginnt die Vormittagsrunde erneut um 9 Uhr.
Nachtrag: Bei GM Smith – FM Lavrinenkov wurde die hartnäckige Verteidigungsleistung des Lokalmatadors am Ende mit einem halben Punkt belohnt. Zwischenzeitlich am Abgrund wandelnd, konnte er die Partie nach dem Turmtausch schließlich in den Remishafen durch Dauerschach lenken. Beide Kombattanten stehen damit bei 3½/4.

Die Schlussstellung an Tisch 2: Remis durch Dauerschach.
Mit einem Remis durch Dauerschach endete auch die Partie am 40. Brett nach wechselvollem Verlauf. Hatten die Buchmacher zunächst lange Zeit Schwarz im Vorteil gesehen, kippte die Begegnung um die Zeitkontrolle herum komplett, doch der unerschrockene schwarze König erwies sich als strammer Fußgänger und fand nach zwei ungenauen weißen Zügen auf h5 für kurze Zeit noch einmal eine sichere Zuflucht. Diese Atempause nutzte der Nachziehende dann, um das Unentschieden zu forcieren.

Hier schien es um Valentino Fendts König bereits geschehen zu sein, doch zehn Züge später hatte Weiß kein Durchkommen gefunden und musste der Punkteteilung durch Dauerschach zustimmen.
Damit beenden wir das Liveblog für heute. Vielen Dank fürs Mitlesen und bis morgen im Wittelsbacher Schloss zu Friedberg, wenn es um 9 Uhr wieder heißt: „Bretter frei!“


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