Guten Morgen aus dem Wittelsbacher Schloss zu Friedberg! Bereits seit 8.30 Uhr ist hier im großen Saal die vorletzte Runde des diesjährigen Freundschachts-Opens in vollem Gange. An den Spitzenbrettern könnten in dieser 6. Runde bereits wichtige Vorentscheidungen um den Turniersieg und die damit verbundenen 1.200 Euro Preisgeld fallen. Wir berichten natürlich wieder live aus dem Turniersaal.
Am Spitzenbrett kämpfen heute Morgen der junge Lokalmatador Quang Bach Duong, in der vergangenen Runde sehenswert gegen FM Korbinian Nuber siegreich, gegen den einzig verbliebenen Spieler mit blütenweißer Weste, den ukrainischen IM Yevgeniy Roshka. Die Partie beginnt als ruhiges Vierspringerspiel, gewinnt jedoch bald an Momentum, als Schwarz im Geiste des “Black Lion” frühzeitig mit g7-g5-g4 gegen die weiße Rochadestellung vorgeht und die g-Linie öffnet. Der Gesamtführende gibt klar zu erkennen, dass er hier gewinnen und eine Vorentscheidung im Wettstreit um den Platz an der Sonne herbeiführen möchte.
An Tisch 2 kommt es in dieser Runde zum Duell der beiden Großmeister im Feld. Bryan Smith eröffnet klassisch mit 1.e4, Hagen Poetsch antwortet mit 1…c5 – eine naheliegende Wahl, um das Spiel von Beginn an scharf anzulegen. Hagen wählt aus den vielen verfügbaren Sizilianisch-Varianten letztlich den sogenannten “Dragondorf”, eine Kombination aus der Najdorf- und der Drachenvariante. Hier steht ein voller Kampf bevor.
Brett 3 sieht das erste von insgesamt vier Schachfreunde-Vereinsduellen dieser Runde. Adnan Abdić kreuzt die Klingen mit Žarko Vučković und muss sich ebenfalls mit einem Sizilianer befassen, in diesem Fall mit der Vierspringervariante. Adnan rochiert kurz und geht klassisch mit f4 gegen den schwarzen Aufbau vor.
An Tisch 10 spielt mit Weiß Lokalmatador Christian Struck, der mit 3½/5 mit seinem bisherigen Turnierverlauf sicherlich zufrieden ist. Gegen seinen heutigen Gegner FM Korbinian Nuber ist Christian allerdings klarer Außenseiter. Wird er in einem Abtausch-Franzosen mit c4 den Favoriten ärgern können?
Eine interessante Position bietet sich dem Beobachter an Tisch 19 dar: Hier hat Dr. Johannes Najjar mit Schwarz eine Qualität für einen Bauern erobert, doch musste er dafür seinen Fianchettoläufer geben und die schwarzen Felder rund um seinen König empfindlich schwächen. Sein junger rumänischer Kontrahent Alex Moldovan kontrolliert mit seiner Dame die lange schwarze Diagonale und hat einen Turm auf der halboffenen h-Linie postiert. Wir sind gespannt, wie sich die Dinge hier entwickeln werden.
Zu einer echten Kurzpartie geriet die Begegnung an Brett 26 zwischen dem Münchener Kadir Özden und Mathis Junker von Caissa Augsburg. Ist die Larsen-Eröffnung 1.b3 allein schon ein seltener Gast in den Turniersälen, so dürfte 3.f3 und 4.e4 in dieser Variante noch einmal deutlich rarer sein. Kadir bietet einen Bauern an und möchte Motive, die auch aus dem Blackmar-Diemer-Gambit bekannt sind, in die Begegnung einbringen. Bevor es zu einem echten Kampf kommen kann, unterläuft Mathis allerdings ein kapitaler Fehler, der die sofortige Aufgabe nach sich zieht. Kadir freut sich damit über einen entspannten Vormittag und seinen vierten Punkt im sechsten Spiel.
Özden – Junker: Nach 7…Sd7?? gab Schwarz auf, ohne 8.Sd6# abzuwarten.
Auch an Brett 42 bietet sich nach nicht einmal 15 Zügen ein nicht ganz alltäglicher Anblick: Der schwarze König befindet sich auf d6, seine Gemahlin auf a7. Weiß nennt zudem bereits Qualität und Bauer mehr sein Eigen. Hier scheint Tom Pfau seinen Gegner Marcel Sidibe kalt erwischt zu haben.
Pfau – Sidibe: Nach 12 Zügen hatte Weiß bereits klaren Vorteil erreicht.
Tisch 52 sieht ein weiteres der zahlreichen Nachwuchsduelle dieses Turniers. Elias Herbst von den Schachfreunden Augsburg bekommt es mit Annika Giss vom SC Dillingen zu tun. Im Alapin-Sizilianer wurden bereits einige Bauern abgetauscht; besondere Vorkommnisse sind indes noch nicht zu vermelden.
Auf Brett 67 kämpft Johannes Bosch vom SK 1908 Göggingen gegen den DWZ-losen Mario Müller vom SK Weilheim. Aus einem Tarrasch-Damengambit entsteht bald eine typische Isolani-Stellung, in der sich die Pläne beider Parteien um den schwarzen Bauern auf d5 drehen werden. Allerdings stehen die schwarzen Figuren bereits ziemlich aktiv – Weiß muss aufpassen, sonst kann ihm die Stellung hier rasch völlig entgleiten.
Und es geht tatsächlich schnell: Mario Müller vermeldet ein schönes Matt gegen Johannes Bosch. In leicht nachteiliger Stellung griff Weiß zum Vorstoß f2-f4 und hatte dabei möglicherweise übersehen, dass Schwarz diesen Bauern en passant nehmen konnte. Die weiße Königsstellung war danach irreparabel geschwächt und Schwarz erlegte die weiße Majestät nach wenigen Zügen in der Mitte des Brettes.
Bosch – Müller: Nach 21.f4? exf3 e.p. bricht die weiße Position rasch auseinander.
Yevgeniy Roshka hat erwartungsgemäß lang rochiert und richtet nun seine schwere Artillerie auf Quangs Königsstellung. Auch der schwarze h-Bauer rollt an; am anderen Flügel wirft Quang seinen a-Bauern in die Schlacht. Hier bestimmt aktuell der Favorit das Geschehen.
Hagen Poetsch hat seinen König einstweilen in der Mitte gelassen, Bryan Smith dagegen bereits lang rochiert und seinen g-Bauern bis nach g5 gebracht. Vorteile sind noch nicht auszumachen; es steht ein intensiver sizilianischer Kampf bevor.
Letzteres dürfte auch für die Begegnung an Tisch 3 gelten, wo Žarko Vučković am Damenflügel, Adnan Abdić am Königsflügel vorgeht. Allerdings sind hier beide Könige am Königsflügel untergekommen. Beim Zeitverbrauch besteht zwischen den beiden Kombattanten noch nahezu kein Unterschied.
Christian Struck spielt inzwischen mit einem Isolani auf d4 und hat außerdem den forschen Vorstoß g2-g4 angebracht, der auch seine eigene Königsstellung schwächt. Korbinian Nubers Position wirkt grundsolide; auf der Uhr liegt er allerdings rund 20 Minuten zurück.
Johannes Najjar hat gegen Alex Moldovan mittlerweile zwei weitere Bauern eingesammelt und vor allem seine Stellung konsolidiert – von weißer Kompensation für die Minusqualität ist praktisch nichts mehr zu sehen. Das sollte Schwarz ohne größere Schwierigkeiten nach Hause bringen.
Tom Pfau ist mit Dame und Turm auf die Grundreihe von Marcel Sidibe eingedrungen, dessen König sich auf e6 befindet. An der weißen Mehrqualität hat sich nichts geändert. Hier müsste schon viel schiefgehen, damit der Nachziehende seinen Kopf noch einmal aus der Schlinge zieht.
Elias Herbst ist mit seinem Turm auf die 7. Reihe vorgestoßen und schlägt dort soeben einen Läufer. Diese Figur geht verloren; obendrein droht kräftig Matt auf g7. Kann Annika Giss hier noch etwas erfinden?
Die Antwort lautet: Nein. Elias gewinnt eine flotte Angriffspartie und steht nun bei 50 Prozent der möglichen Punkte.
Herbst – Giss: Mit 23…Dxc4 hätte Schwarz die Position hier noch einmal ausgleichen können, doch nach 23…Sxc4? ließ sich Elias nicht zweimal zu 24.Td7! bitten.
Am Spitzenbrett hat Yevgeniy Roshka inzwischen einen Mehrbauern auf h2 stehen, hinter dem sich der weiße König versteckt. So ein feindlicher Bauer bietet oftmals guten Schutz, da der Gegner ihn nicht schlagen kann, doch dringt Yevgeniy nun über die g-Linie in Quangs Stellung ein. Aktuell droht bereits ein taktischer K.o.-Schlag, doch auch unabhängig davon sieht sich Weiß mit einer wohl nicht mehr leistbaren Verteidigungsaufgabe konfrontiert.
GM Poetsch hat zwischenzeitlich kurz rochiert und setzt gerade nach d6-d5 auch noch e7-e5 im Zentrum durch. Weiß peilt die Öffnung der h-Linie an; sein König wirkt auf b1 einstweilen recht sicher. Für 25 Züge bis zur Zeitkontrolle stehen GM Smith allerdings nur noch 25 Minuten plus Inkrement zu Gebote.
Žarko hat einen gedeckten Freibauern auf d4 etabliert und überlegt gerade, wie er Adnans Bauern auf f6 wiedernehmen soll. Weiß wird hier vermutlich versuchen, im günstigen Moment den Hebel b3-b4 anzusetzen.
FM Nuber versucht, mit seinen Figuren in die Lücken zu stoßen, die sich in Christian Strucks Königsstellung aufgetan haben. Sein Zeitrückstand beträgt momentan 20 Minuten. Der Isolani auf d4 konnte seinen Vorwärtsdrang bislang noch nicht ausleben.
Bereits beendet ist die Begegnung an Tisch 19. Johannes Najjar bringt seinen Vorteil gegen Alex Moldovan routiniert nach Hause und steht nun bei 4/6 Punkten.
Moldovan – Najjar: In dieser Stellung warf Weiß das Handtuch.
Und auch Tom Pfau meldet Vollzug gegen Marcel Sidibe. Nachdem er bereits aus der Eröffnung heraus materiellen Vorteil erzielt hatte, ist die Messe hier nach 30 Zügen gelesen. Damit 3½ Punkte für den Spieler von Caissa Augsburg.
Und auch am Spitzenbrett werden die Hände geschüttelt: Quang Bach Duong muss die Überlegenheit von IM Yevgeniy Roshka anerkennen, der in 32 Zügen seinen sechsten Punkt im sechsten Spiel einfährt. Damit ist der junge ukrainische Schachmeister Topfavorit auf den Turniersieg beim 2. Freundschachts-Open.
Duong – Roshka: Quang zog hier noch 32.dxc6 und gab nach 32…Tg8 auf.
An Tisch 2 stehen aktuell beide Könige relativ sicher. Hagen Poetsch hat 20 Minuten mehr auf der Uhr, doch muss er sich gerade Gedanken um seinen Bauern auf e5 machen, den Bryan Smith anknabbert und an dem auch der schwarze Bauer auf d4 hängt.
Žarko entledigt sich in diesem Moment seines rückständigen Bauern auf e6, indem er e6-e5 durchsetzt. Adnan verbleiben für 20 Züge bis zur Zeitkontrolle noch rund 15 Minuten plus Inkrement, bei seinem Gegenüber sind es nur wenige Minuten mehr. In dieser gehaltvollen Stellung lohnt sich das Zuschauen auf jeden Fall.
Christian Struck hat an Tisch 10 mit knapp 20 Minuten mittlerweile sogar etwas weniger Zeit auf der Uhr als Korbinian Nuber; bis zur Zeitkontrolle sind noch 20 Züge zu spielen. Weiß überlegt an seinem weiteren Vorgehen; an den Eigenheiten der Position hat sich seit dem letzten Besuch des Berichterstatters nichts Wesentliches verändert.
Nun setzt Christian den Vorstoß d4-d5 durch. Korbinian Nuber überlegt an der passenden Replik.
Žarkos Läuferpaar ist sehr aktiv – wer ihn kennt, der weiß, dass das üblicherweise nichts Gutes verheißt. Adnan Abdić beeilt sich daher, einen der beiden Läufer abzutauschen, doch könnte er dabei die Kraft des schwarzen Lb7 auf der langen Diagonale unterschätzt haben. Wie es aussieht, muss Weiß seine Königsstellung hier nun weiter schwächen.
GM Smith angelt sich an Brett 2 einen Bauern, GM Poetsch greift seinerseits die Deckungsfigur der weißen Zentrumskonstruktion an. Bei knapper werdender Zeit bahnt sich hier ein Showdown um die Verfolgung von IM Yevgeniy Roshka an.
Adnan geht voll ins Risiko und lässt Žarkos Dame in seine Königsstellung eindringen, um keine zersplitterten Bauern in Kauf nehmen zu müssen. Nur noch vom Inkrement lebend, erscheint fraglich, wie lange das gutgehen kann.
Bei Struck gegen FM Nuber wird in diesem Augenblick das Remis unterzeichnet. Die komplexe Stellung war beiden Kombattanten bei ablaufender Bedenkzeit wohl zu heikel. Damit 4/6 für beide wackeren Kämpen.
Struck – Nuber: Mit 24.dxc6 offerierte Weiß Remis, was Schwarz nach kurzem Nachdenken akzeptierte.
An Tisch 2 steht das Brett in Flammen. GM Smith besitzt temporär einen Mehrbauern, doch beide Seiten müssen nun zuvorderst die Verwicklungen meistern. Beide Könige sind anfällig, derjenige von GM Poetsch dabei wohl etwas mehr als der weiße.
Ebenfalls eine Zeitnotschlacht in komplexer Stellung bahnt sich an Tisch 4 zwischen IM Soham Das und CM Ahmad Safy Kanz an. IM Das lebt einmal mehr nur noch von seinem Inkrement; in komplizierter Stellung besitzt er zwei Figuren für Turm und zwei Bauern.
Die Partie an Tisch 3 ist inzwischen zu Ende: Adnan Abdić überschreitet in extrem schwieriger Position gegen seinen Vereinskollegen Žarko Vučković die Bedenkzeit. Žarko gehört mit nun 5/6 Punkten zum erweiterten Verfolgerkreis von IM Yevgeniy Roshka.
Abdić – Vučković: In verlorener Stellung überschritt Weiß die Bedenkzeit.
Von Brett 4 wird ein Remis gemeldet. IM Soham Das und CM Ahmad Safy Kanz kommen damit auf 4,5/6 Punkten.
An Tisch 2 hat GM Poetsch seinen Minus- in einen Mehrbauern verwandelt. Seinen Läufer kann er angesichts der schwachen weißen Grundreihe ungedeckt lassen. Noch knapp zehn Züge verbleiben in höchst angespannter Position bis zur Zeitkontrolle.
Nach 3½ Stunden laufen noch eine Handvoll Partien im großen Saal des Wittelsbacher Schlosses. FM Sebastian Böhme arbeitet an Tisch 5 gegen den jungen Liechtensteiner Andrew Heron in einem Turmendspiel mit Mehrbauer an seinem nächsten Sieg. Am Nachbarbrett musste Uli Weller gegen Lucas Deusa Ballesteros aus Spanien eine Figur für zwei Bauern abtreten. Cornelius Mühlich und FM Petro Lohvinov an Tisch 8 schließlich diskutieren ein Endspiel mit gleichem Material: Turm, ungleichfarbige Läufer und jeweils drei Bauern.
Noch vier Züge bis zur Zeitkontrolle an Brett 2. GM Poetsch hat nach wie vor einen Mehrbauern gegen Bryan Smith. Eben wurde das letzte Turmpaar getauscht, sodass den Kombattanten neben ein paar Bauern nun noch jeweils Dame und ungleichfarbige Läufer verbleiben.
Die Damen sind von Brett 2 verschwunden und damit auch die Mattgefahr für die beiden Könige. Nun wird also in einem ungleichfarbigen Läuferendspiel mit Bauern auf beiden Flügeln weitergekämpft, wobei Hagen Poetsch einen Mehrbauern konserviert hat.
Diese Übung sparen sich beide Kontrahenten: Noch während der Berichterstatter obige Zeilen niederschrieb, unterzeichneten die Großmeister die Punkteteilung. GM Smith steht damit bei 4½/6 Punkten, Hagen Poetsch hat 5/6.
Smith – Poetsch: Ein ausgekämpftes Unentschieden.
Die Begegnung an Tisch 8 endet ebenfalls mit der Punkteteilung. Acht Partien sind nach knapp vier Stunden noch im Gange.
Sebastian Böhme hat an Tisch 5 im Turmendspiel gegen Andrew Heron zwei verbundene Freibauern gegen einen entfernten a-Freibauern, den Sebastian mit seinem Turm blockiert. Andrew sucht fieberhaft nach einer Möglichkeit, die im Verbund mit ihrem König herannahenden schwarzen Bauern aufzuhalten.
Eine Überraschung könnte sich an Brett 40 anbahnen, wo die junge Barbara Wachtel im Endspiel gegen den gut 600 DWZ-Punkte höher eingeschätzten Raphael Göttler einen Mehrbauern und die bessere Leichtfigur auf ihrer Seite weiß.
Und Barbara bringt es zu Ende und ringt ihren Vereinskollegen nieder! Das dürfte mit Blick auf den DWZ-Unterschied das bislang größte Ausrufezeichen der laufenden Runde sein. Raphael ist verständlicherweise bedient.
Eine Punkteteilung gab es bei Mühlich – FM Lohvinov an Tisch 8. Sebastian Böhme indes hat sein vorteilhaftes Turmendspiel zum Sieg geführt und Andrew Heron damit die erste Niederlage im Turnierverlauf beigebracht. Damit stößt Sebastian ebenfalls in den kleinen Kreis der Spieler mit 5/6 Punkten vor.
Zwei Partien laufen noch.
Fast nach ganz genau 4½ Stunden endet die Begegnung an Tisch 6 zwischen Uli Weller und Lucas Deusa Ballesteros nach spannendem Partieverlauf mit einem Unentschieden. Damit stehen für beide 4½ Punkte zu Buche. Die 6. Runde ist nunmehr beendet.
Die 7. Runde beginnt heute Nachmittag bereits um 14.30 Uhr. Die Auslosung erfolgt in Kürze.
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